DenkZeit-Chefredakteur Thomas Matterne und seine Gedanken zum 1. Advent.
In Zeiten, in denen Minister den Konsum zur patriotischen Pflicht erklären, mag eine Erinnerung an die wahre Bedeutung des Advents unpopulär wirken. Angesichts der trotz Corona schon seit Wochen stetig bunter werdenden Weihnachtsdeko in den deutschen Innenstädten und der immer grelleren Werbeaktionen im Netz wirkt es fast befremdlich, aber eigentlich ist der Advent als eine Art zweite Fastenzeit gedacht. Vielleicht nie so reguliert, und deshalb von den offiziellen Kirchen auch nie so dereguliert, wie die Fastenzeit, die den Gläubigen auf das Osterfest vorbereiten soll, aber dennoch eine Fastenzeit.
In der westlichen Welt scheint der Zusammenhang zwischen „Fasten“ und „Advent“ inzwischen aber fast schon bizarr. Wir haben uns alle damit abgefunden, dank Lebkuchen, Dominosteinen und Schokoladenweihnachtsmännern in diesen Tagen erst gar nicht an eine Diät zu denken. Die berühmten Pfunde mehr futtern wir uns nicht allein über die eigentlichen Feiertage an, sondern schon im Vorfeld.
Gleichzeitig erreicht der Konsum dank der Geschenkvorbereitungen die alljährliche Hochphase, wenn sich in diesem Jahr wohl auch in der Hauptsache die Internethändler freuen dürften. Gerade in Zeiten, die wir als düster und freudlos empfinden, in denen wir unser Leben nicht mehr wie gewohnt führen können, ist der ein oder andere – der es sich leisten kann, oder eigentlich nicht – mehr als zuvor nicht geneigt, sich lumpen zu lassen. Auch wenn der Mehrkonsum an den festlich geschmückten Innenstädten vorbeigehen wird, gefrönt wird ihm zweifellos auch 2020.

Dagegen anzuschreiben ist nicht leicht, und natürlich auch immer von einer gehörigen Portion Heuchelei unterstützt. Ich für meinen Teil liebe Lebkuchen und Marzipankartoffeln, und meine Selbstdisziplin ist damit schon aufgebraucht, erst mit dem 1. Adventswochenende zuzuschlagen. Aber jetzt, während ich das schreibe, steht schon eine Schale mit Lebkuchen, anderen Leckereien und Wallnüssen, die mir ein Kollege als Kilo geschenkt hat, neben meinem Adventskranz. Und nicht wenige der Weihnachtsgeschenke sind bereits besorgt. In vielen Fällen haben sie durchdachten symbolischen Charakter, aber bei meinen beiden Neffen beispielsweise habe ich auch nicht aufs Geld geschaut.
Es ist also schwer sich an die Fastenzeit Advent zu erinnern, oder gar zu halten, selbst wenn sie einem durchaus bewusst ist. Dabei ist der Verzicht auch eine klare Erinnerung an den Tag, auf den die Adventszeit uns eigentlich vorbereiten will: Die Geburt Christi
Ein Augenblick der Armut. Eine Geburt in der Grippe, nicht in einer Herberge ausgestattet mit Betten, vielleicht Stuhl und Tisch. Eine Szene, die den Ursprung des Christentums von allen anderen Religionen unterscheidet. Kein machtbewusster Kaufmann, kein in seidenen Tüchern geborener Prinz steht am Beginn des Christentums, sondern ein kleines, verletzliches Kind. Gebettet auf dem Stroh in einer Krippe. Und selbst wenn später Gold, Myrre und Weihrauch die Kostbarkeiten der Zeit dem König der Könige dargebracht wurden, ist es diese Szenerie, die das Christentum auf Erden prägte. Es ist der Grund, warum wir gerade an Weihnachten – selbst wenn wir nicht mehr Gläubige sind – ganz besonders das Bedürfnis verspüren jenen zu helfen, die noch weniger haben als wir oder praktisch nichts.
Thomas Matterne schreibt Geschichten seit er schreiben kann. Sein erster beruflicher Weg führte ihn jedoch in die Online-Redaktion eines Fernsehsenders. Während er jetzt eher im Bereich PR und Marketing unterwegs ist, ist er aber ebenso ein leidenschaftlicher Blogger.