Seine Gedichte und Texte sind bereits auf Spanisch, Englisch, Italienisch und sogar Arabisch erschienen. In DenkZeit erscheinen sie nun erstmals auf Deutsch: Jorge Contreras Herrera, Dichter und Essayist aus Mexiko.
Was bedeuten Gedichte überhaupt? Ist dies Interpretation nicht hochtrabend? Macht sich der Dichter wirklich so viele Gedanken? So, oder so ähnlich, fragte mich vor Jahren einmal ein Kommilitone über den Sinn von Lyrik aus, nachdem er mitbekommen hatte, dass ich mich viel mit Literatur beschäftigte. Wir studierten Wirtschaftsinformatik, und auch wenn es die geflügelten Worte „Code is Poetry“ gibt, von Literatur war unser Studium meilenweit entfernt. Ich erinnere mich noch recht gut an die Fragen, aber nicht mehr an die Antworten. Nun, ich hätte ihm auch „Komm barfuß“ von Jorge Contreras Herrera zu lesen geben können:
Thomas Matterne, Chefredakteur DenkZeit
Komm barfuß
Ein gutes Gedicht kann für einen schlechten Leser ein schlechtes Gedicht sein,
genauso kann ein schlechtes Gedicht einem schlechten Leser als ein gutes erscheinen.
Welches ist das wahre Gedicht.
Auf welche Weise muss Empfindsamkeit abgewogen werden,
und in welchem Zustand muss die Seele sein,
dabei meine ich die Art Seele, die Musikinstrumente besitzen,
die ihren Klang nicht bloß gut, sondern perfekt macht.
Zwischen gut und perfekt tut sich ein Abgrund auf.
Wie viele bleiben vor den Toren des Tempels,
und ich muss es erklären, denn ein schlechter Leser würde mich nicht verstehen.
Ich meine, wie viele verbleiben vor den Toren des Gedichts:
sie lesen etwas, das es nicht gibt.
Was es gibt, ist nicht da.
Also nochmal. Nicht alle kommen in das Gedicht hinein.
Das Gedicht liegt im Gedicht und in dir selbst.
Wenn du es nicht lesen kannst, versuche es noch einmal.
Lies etwas anderes und komm später wieder.
Das Gedicht muss man barfuß betreten
tust du das nicht, kommst du woanders heraus, aber nicht im Gedicht.
Wenn sich etwas offenbart und deine Intuition Gefühle weckt,
Bilder, unbekannte Kräfte und wenn sich etwas erleuchtet,
ist das ein Zeichen dafür, dass das Gedicht dich empfängt.

Uwetterbändiger
Ich bin Kapitän dieses Schiffs
inmitten des Sturms.
Hier ist der Mut Steuermann,
– Es gibt kein Zurück –
nur Feiglinge ertrinken.
Mit einer Hand grüße ich den Blitz
mit der anderen den Donner.
Mögen Winde wehen
und diesem Seemann
ihr Gedicht aufsagen.
Ich bin der Unwetterbändiger.
Ich habe Acheron
seiner Bestimmung zugeführt.
Ich bin der Beschwörer der Sirenen.
Bin Niemand für den Blinden.
Bin der, für den Circe seufzt.
Bin der, der dem Gedicht lauscht
von den Lippen der Poesie.

Beschreibung von Ihr
Du bist die Geburt des Lichts,
der Überschwang im Blick,
die Zartheit einer Frucht mit ihrem poetischen Saft. Du bist das Gewitter, das im Gebirge verführt,
zart wie eine zitternde Träne im trockenen Laub.
Du bist Helligkeit, die im dunklen Wald tanzt.

Die DenkZeit-Redaktion dankt Christiane Quandt, die für uns die Übersetzung der Gedichte von Jorge Contreras Herrera geschrieben hat.

Als Redaktion hinter DenkZeit arbeiten wir für Sie daran ein möglichst interessantes und informatives Online-Magazin bereitzustellen. Jeden Monat stellen wir Ihnen ein Schwerpunktthema zusammen, darüber hinaus finden Sie aber auch in der Zeit dazwischen immer aktuelle Artikel auf unserer Seite.