Künstliche Intelligenz muss nicht kreativ werden

Wenn es um das Thema Künstliche Intelligenz geht, wird nicht selten die Frage nach den Arbeitsplätzen gestellt. Wie viele Arbeitsplätze wird künstliche Intelligenz kosten? Die Antwort auf diese Frage ist ziemlich einfach, niemand weiß es so genau. Es gibt zahlreiche Studien zu dem Thema, mal sind es 20%, mal die Hälfte, dann erschreckende 80%. Am Ende bleibt nur die Sicherheit, dass Kollege Computer bald einige menschliche Stellen ersetzen wird.

Vor ein paar Wochen habe ich von einer Umfrage gelesen, nach der die Mehrheit der Beschäftigten davon ausgeht, das künstliche Intelligenz auch in ihrer Branche Jobs kosten wird. Allerdings war die selbe Mehrheit davon überzeugt, dass ihre eigenen Jobs dabei nicht in Gefahr sind. Na ja, wenn sie sich da mal nicht irren. Falls jemand eine Jobgarantie braucht, mein Tipp: Handwerker. Qualitativ hochwertige Handarbeit wird ein Prestigeobjekt werden, um sich von der industriellen Massenproduktion abzuheben. Interessanterweise wird auch der ein oder andere Industriearbeiter einen relativ sicheren Arbeitsplatz haben, zumindest in jenen Branchen, in denen die Automatisierung weitestgehend ausgereizt ist.

Wirklich zittern müssen die Angestellten in Büros. Berechnungen anstellen, Termine vereinbaren, Standard-E-Mails an Kunden rausschicken – man fragt sich eher, warum schon heute nicht Kollege Computer das alles erledigt.

Gefährdet sind aber auch die vermeintlich Kreativen. Nehmen wir das, was ich hier gerade tue. Ich schreibe einen Text. Nun, ich könnte genauso gut ein Algorithmus sein, den Unterschied würde der Leser nicht bemerken. Schon heute könnte ein entsprechendes Programm etwa in den Lokalredaktionen die komplette lokale Sportberichterstattung übernehmen, gelegentlich tun sie das auch schon. Ebenso wie Nachrichtenagenturen damit experimentieren, ihre Texte von Algorithmen verfassen zu lassen, und nicht hinter jeder Produktbeschreibung in einem Online-Shop steckt heute noch ein menschlicher Schreiberling. Große Literatur wird sicher noch ein wenig das Privileg der wirklich guten Schriftsteller sein, aber Romane von der Stange kann der Roboterautor schon jetzt schreiben.

  

Ich habe ein paar Jahre in einer Agentur gearbeitet, die auch Webseiten designt hat. Nun habe ich kein Auge für Design, aber als Informatiker ein besonders gutes Auge für Muster. Und deshalb habe ich in den rund zwei Jahren dort insgesamt rund fünf Webseitendesigns gesehen. Natürlich wurden wesentlich mehr verkauft, aber die meisten waren nach zwei unterschiedlichen Mustern erstellt. Nur farblich ein wenig anders gestaltet, hier und da ein anderer Akzent, aber im Prinzip immer die gleiche Designstruktur. Den Webdesignerinnen dort ist das wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen, für sie war jede Seite neu. Und ähnlich ist es auch bei vielen durchschnittlichen Romanen. Ihre Geschichten funktionieren nach wenigen bestimmten Mustern und arbeiten mit einer Handvoll Archetypen. Hier versammeln sich diese Archetypen in einer Mittelalterszenerie, dort auf einem fremden Planeten.

Vielleicht sollten wir an dieser Stelle aber erst einmal mit einem Vorurteil aufräumen. Die Bezeichnung „Künstliche Intelligenz“ ist in gewisser Weise irreführend. Der ebenfalls im Umlauf befindliche Begriff „maschinelles Lernen“ trifft es viel besser. Künstliche Intelligenz funktioniert vereinfacht ausgedrückt folgendermaßen: Der Programmierer schreibt einen selbstlernenden Algorithmus. Dieser versucht dann A, stellt fest, A ist Mist, also versucht er B. Wenn B auch Mist ist, versucht er eben C. C ist gut, aber noch nicht gut genug, also versucht er Ca, ist Mist, also versucht er es mit Cb. Das ist wieder gut … und so setzt sich das Spiel fort. Maschinelles Lernen ist im Prinzip nur das alte „Try and Error“-Spiel, nur dank der gestiegenen Leistung der Hardware geschieht dies alles heute viel schneller und effektiver. Für manch Außenstehenden kann auf diese Weise durchaus der Eindruck einer künstlichen Intelligenz erweckt werden. Aber unter uns, selbst das Google Programm, das kürzlich den besten Go-Spieler weltweit geschlagen hat, ist eigentlich immer noch genauso dumm wie der Z1, den Konrad Zuse Mitte des letzten Jahrhunderts gebaut hatte. Er ist nur schnell genug, dass es niemand mehr merkt.

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Und das betrifft auch das Design. Design funktioniert nach gewissen Gesetzen. Es gibt den goldenen Schnitt, es gibt eine Reihe von „Gesetzen“ bei der Kombination gewisser Farben, es gibt Regeln für die Sättigung von Farben usf. All das kann ein Algorithmus wesentlich besser lernen und anwenden, als ein menschlicher Designer. Irgendwann hat der Algorithmus eine kritische Anzahl an Elementen gesammelt, die er anhand von Daten über den Kunden nur noch kombinieren muss. Und fertig ist das individuelle Design der Webseite. Webseitenbaukästen wie Wix.com oder Jimdo experimentieren bereits mit diesen Programmen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Mehrheit der Kunden fragen wird, warum sie teure Agenturstundensätze bezahlen soll, wenn ein Algorithmus doch dasselbe Ergebnis liefert – vielleicht sogar ein besseres, weil er keines der ungeschriebenen Designgesetze verletzt. Klingt unwahrscheinlich? Nein, nicht wirklich. Wir sollten nicht vergessen, dass Menschen das am schönsten finden, was am wenigsten vom Durchschnitt abweicht. Es mag so manchem Supermodel nicht gefallen, aber sie haben ihre Modeljobs mitunter nur, weil sie ziemlich durchschnittlich aussehen.

Ob künstliche Intelligenz jemals wirkliche Kreativität erreichen wird, spielt in der gleichen Kategorie, wie die Frage nach einem möglicherweise sich entwickelndem Bewusstsein. Das ist hochspekulativ, denn selbst wenn es gelänge ein menschliches Gehirn exakt nachzubauen, muss dieses nicht automatisch ein Bewusstsein entwickeln. Für seinen eigentlichen Einsatzzweck benötigt der Algorithmus allerdings keine Kreativität, der menschliche Designer, den er aus Kostengründen verdrängt, ist ja auch nicht kreativ. Er tut, was der Algorithmus auch tut, er befolgt Designregeln und setzt bekannte Elemente neu zusammen. Beide erzeugen nur den Schein von Kreativität, und beiden ist das wahrscheinlich nicht bewusst.

Wahre Kreativität bleibt hingegen nach wie vor ein Einzelfall, den wenigen Menschen überlassen, die wirklich Kreatives schaffen können. Noch?

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