Nicht nur die kleinen Buchläden, die aufgrund des Coronavirus schließen mussten, droht das Aus. Selbst alteingesessenen Verlagen könnte es an den Kragen gehen.
Bücher sind nicht systemrelevant, in ganz Europa kamen die Regierungen in den letzten Wochen zu diesem Trugschluss. Wie ein großer Gleichmacher kam der Coronavirus in diesen Tagen über Buchhandelsketten, wie über kleine Buchhändler. Ausnahmslos mussten Läden geschlossen werden, die einigen Ausnahmen im Land dürften Bahnhofshändler sein, deren Hauptgeschäft auf den als systemrelevanten Zeitungen basiert. Aber selbst dort schien man nicht mehr vor der Zwangsschließung sicher zu sein. In Leipzig schloss das Gesundheitsamt mit der Begründung, man würde Bücher verkaufen den Zeitschriftenhandel am Hauptbahnhof. Erst nach Protesten konnte man dort kurze Zeit später wieder öffnen.
Viele kleine Buchländen indessen stehen im ganzen Land vor dem finanziellen Aus. Glücklich, wer sich schon zuvor online versucht hatte, alleine, oder in manchen Städten auch im Verbund mit anderen Buchhändlern, und zumindest übergangslos über das Internet weiterverkaufen kann. Doch in den wenigsten Fällen dürfte dieser alternative Vertriebsweg auf Dauer Anbieter einer Branche am Leben erhalten, die schon zu Nicht-Coronazeiten um ihre Existenz kämpfen mussten.
Für zu viele war und ist die Bestellung bei Amazon zu verlockend, der US-Gigant hat seit Jahren auch auf dem deutschen Markt eine scheinbar nicht mehr zu brechende Dominanz entwickelt. Einst als Online-Buchhandel in Seattle gestartet, kauft inzwischen die Welt ihre Bücher bei Amazon.
Amazon beherrscht den Buchmarkt seit Jahren
Ja, wenn es denn Bücher bei Amazon zu kaufen gibt. Denn Jeff Bezos digitales Imperium ist über den bloßen Buchverkauf längst hinausgewachsen. Wenn es legal ist, dann kannst du es bei Amazon kaufen. Und ganz nebenbei ist der Hauptumsatzbringer von Amazon inzwischen schon sein Cloudservice, über den das Unternehmen Speicherplatz auf der ganzen Welt verkauft.
Amazon hat es mit seiner marktbeherrschenden Position so weit gebracht, dass niemand in der Buchbranche Erfolg haben kann, ohne den Shop zu nutzen. Die Abhängigkeit ist inzwischen so groß, dass auch die Verlage selbst in ihrer Existenz von der Bezos’schen Plattform abhängig geworden sind. Gewusst haben wir das immer, durch den Coronavirus aber ist endgültig der Beweis erbracht.
Bücher sind gefragt, aber nicht im Handel
Eigentlich, so könnte man meinen, müssten Bücher in diesen Tagen ein gefragtes Gut sein. Klar, die meisten Menschen, die derzeit nur noch in Ausnahmefällen ihre Wohnung verlassen, werden zu Netflix (oder Amazon Prime Video) greifen. Aber die Nachfrage müsste dem gesunden Menschenverstand nach auch nach Büchern steigen. Wahrscheinlich tut sie das auch, doch Amazon verkauft eben auch Waren, die jetzt noch gefragter sind: Masken, Desinfektionsmittel usw. usf. Und auch die die Mitarbeiter der Versandlager von Amazon sind weltweit vom Coronavirus bedroht. Als Amazon ankündigte seine Kapazitäten auf den Verkauf anderer Produkte zu konzentrieren, und statt bei den Verlagen Bücher nachzubestellen, nur noch abzuverkaufen, was auf Lager ist, fanden sich plötzlich große wie kleine Verlage in Existenznöten.
Viele Verlage haben das Frühjahrsprogramm fertig gedruckt, die Druckkosten aber noch nicht beglichen. Was aus dem Sommer- oder dem Herbstprogramm werden soll, dass steht in den Sternen. Kleinere bis mittlere Verlage wie Liebeskind müssen sich jetzt schon damit anfreunden das Herbstprogramm zum Frühjahrsprogramm 2021 umzuplanen. Vor allem kleine Verlage fürchten gar, von staatlichen Hilfen ausgeschlossen zu werden, da nur für gesunde Unternehmen gedachte Staatshilfen in einer Branche in der Dauerkrise nicht selbstverständlich erscheinen. Aber auch etablierte gesunde Verlage wie Kiepenheuer & Witsch stehen inzwischen vor dramatischen Umsatzeinbrüchen.
Zu ihrem Rettungsanker könnten jetzt die Buchhandlungen selbst werden, je nachdem wie es diesen gelingt ihr Geschäft online oder teilweise selbst noch per Telefon am Laufen zu halten. Der zentrale Vertriebsweg über Amazon mag für viele zwar keine Gelddruckmaschine gewesen sein, da Amazon es auch immer verstanden hat seine Marktmacht zu seinen Gunsten zu nutzen, aber durch den Wegfall bleibt ihnen keine andere Wahl.
Bücherfreunde sollten jetzt also vermehrt nach Möglichkeiten suchen, die kleinen Buchhandlungen ihres Vertrauens am Leben zu halten. Also einfach mal auf deren Internetseite vorbeischauen, oder anrufen. Einige Buchhandlungen haben inzwischen eigene Kurierdienste eingerichtet, um von vornherein nicht in eine neue Abhängigkeit zu Post und Paketdiensten zu gelangen, deren reibungsloses Funktionieren heute auch niemand mehr wirklich sicher vorhersehen kann. Manche versuchen auch durch kreative Partnerschaften Kunden zu halten, wie etwa die Würzburger Buchhandlung Knodt, die mit einer nahegelegenen Apotheke eine Partnerschaft eingegangen ist, und dort jetzt eine kleine Abholstation eingerichtet hat.
Am Ende bleibt auch für das Buch nur jener Appell, den wir in diesen Tagen leider allzu oft hören müssen. Zusammenhalten und gemeinsam durch die Krise kommen. Das mag nicht leicht werden, es ist aber möglich.
Weitere Informationen:
- Was wird jetzt aus den Verlagen? (FAZ)
- Die Ausbreitung des Coronavirus stürzt den Buchmarkt in eine tiefe Krise (Handelsblatt)
- Buchbranche: Verlage am Abgrund (Zeit)
Thomas Matterne schreibt Geschichten seit er schreiben kann. Sein erster beruflicher Weg führte ihn jedoch in die Online-Redaktion eines Fernsehsenders. Während er jetzt eher im Bereich PR und Marketing unterwegs ist, ist er aber ebenso ein leidenschaftlicher Blogger.